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Zuversichtlich in die Zukunft blicken – wie geht das gerade jetzt?

Klimakatastrophe, Rechtsruck, Kriege - wie soll man da noch zuversichtlich sein?

Umgang mit der aktuellen Weltsituation

Wie geht’s dir gerade, wenn du dich mit dem beschäftigst, was in der Welt passiert?

Mich überkommen Angst, Trauer, Ärger und Unsicherheit. Für diesen Gefühlsmix gibt es inzwischen sogar Begriffe wie „Weltschmerz“ oder „Klimagefühle“.

Ich habe mich deshalb in den letzten Wochen viel mit dem Begriff ZUVERSICHT auseinander gesetzt. Ich möchte dich an meinen Gedanken und 5 konkreten Strategien zum Umgang mit der aktuellen Weltsituation bzw. mit den ausgelösten Gefühlen teil haben lassen.

Wie kann man angesichts der aktuellen Situation zuversichtlich in die Zukunft blicken? Wie kann ich mit der Angst umgehen? Was kann ich konkret tun? Wie kann man weiter Schönes genießen? Darf man das überhaupt?

Meine klare Antwort ist „JA“! Du sollst es sogar!

Wie reagiere ich auf die Krisen in der Welt?

Um eine Antwort darauf zu geben, was dir konkret helfen kann, ist eine Zuordnung deiner Reaktion hilfreich. Du kannst du dich also fragen wie du innerlich und äußerlich auf die aktuellen Krisen und Veränderungen reagierst. Grob lässt sich das in unsere drei unterschiedlichen angeborenen Reaktionsmöglichkeiten bei Gefahr zuordnen:

1. Erduldung (freeze)

2. Vermeidung (flight)

3. Überkompensation (fight)

zu 1. Erduldung
Wenn wir in diesem Modus sind, sind vor allem Angst, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit zentrale Gefühle. Wir erdulden den aktuellen Status und sehen keine Chance mehr auf Veränderung/Verbesserung. Quasi das Gegenteil von Zuversicht. Typische Gedanken könnten sein „Es macht doch eh alles keinen Sinn“, „Der Klimawandel ist nicht mehr aufzuhalten- die Menschheit hat es nicht besser verdient“, „Am Ende siegt doch immer das Böse“, „Der 3. Weltkrieg steht schon vor der Haustür“ usw.

Wir fühlen uns gelähmt und einem nicht mehr abwendbaren Schicksal ausgeliefert. Handlungsoptionen werden nicht mehr gesehen. Wenn das Dauermodus wird, kann im schlimmsten Fall auch eine psychische Störung daraus werden (z.B. Depression). Solltest du dauerhaft grübeln und dich das vom Einschlafen abhalten, habe ich HIER Hilfreiches für dich zusammengestellt.

zu 2. Vermeidung
Hier gehen wir entweder den belastenden Gefühlen oder sogar den Erkenntnissen aus dem Weg (verleugnen Tatsachen z.B. „Es gibt keinen Klimawandel- das ist doch Quatsch. Heiße Sommer gab’s schon immer mal“). Wir versuchen zu bagatellisieren, leugnen die eigene Verantwortung („es sollen erstmal die Politiker anfangen“) oder gehen jeglicher Beschäftigung mit aktuellen globalen Herausforderungen aus dem Weg (z.B. kein Interesse mehr an Nachrichten, kein Treffen mehr mit Menschen, die typischerweise über diese Themen sprechen etc.). Zeitweise kann gerade Ablenkung hilfreich sein (dazu später mehr). Schwierig wird es dann, wenn Vermeidung zu einem Dauerzustand wird, da sie z.B. zu sozialer Isolation, Verschwörungsdenken oder Flucht in Autoritarismus bzw. Ideologien führen kann.

Die Flucht in autoritäre Strukturen kann man ja im Moment besonders beobachten: es gibt viele Autoritäten bzw. autoritäre Stukturen, die versprechen, dass es ganz einfache Lösungen für hochkomplexe Fragen gibt und die zusagen, diese Lösungen auch knallhart durchzusetzen. Das kann in einem Zustand von tiefer Unsicherheit sehr verführerisch sein- ist aber letztlich eine Vermeidung der Tatsachen und von Eigenverantwortung.

zu 3. Überkompensation (fight)
Vorherrschende Gefühle hier sind Wut, Stress bis zu Verachtung. So reagieren Menschen, die sich aufopfernd für eine Sache engagieren und dabei eigene Bedürfnisse nach Pause, Selbstfürsorge ignorieren. Viel zu viel Verantwortung wird auf die eigenen Schultern geladen. Dies kann bis zur Aggression gehen. Auch hier ist häufig ein schwarz-weiß Denken zu finden (z.B. extreme Fronten zwischen Impfgegner und Befürwortern) oder blindem Aktionismus (Vorbereitung auf den Weltuntergang mit Horten von Lebensmitteln o.ä.). In diesem Modus kann es dazu kommen, dass Gewalt bzw. starke Konflikte gerechtfertigt werden. Junge Menschen, die sich auf Straßen ankleben und sich selbst und andere in Gefahr bringen. Oder „einfach nur“ ein extrem emotionaler Streit mit einem Menschen, der anderer Meinung ist. Häufige Folgen sind Erschöpfung und Frust bis zu Burnout. Auch hier gilt: Engagement ist gut und wichtig, aber eigene Grenzen müssen dabei berücksichtigt werden.

Wie reagierst du typischerweise? Möglicherweise ein bisschen von allem. Vielleicht passt aber eine Reaktion am besten zu dir. Da du diesen Artikel liest, bist du höchstwahrscheinlich in keinem Extrem unterwegs. 

5 Strategien, um zuversichtlich in die Zukunft zu blicken

1. Akzeptiere die Situation und nutze Aktionsmöglichkeiten

  •  Akzeptanz bedeutet nicht, die Situation gut zu finden und damit abzufinden, sondern sie anzunehmen („es ist jetzt wie es ist“). Beschäftige dich gezielt (wohl dosiert) mit den Tatsachen und lasse Gefühle zu.
  • Mach dir bewusst: du bist nicht alleine mit deiner Angst, deinem Frust und deiner Unsicherheit. The struggle is real! Wir sind alle Teil davon und egal welche Gruppe (meine Nachbarschaft, meine Stadt, mein Land, die Welt) du als Referenz nimmst, es gibt in jedem Kontext Menschen, die ähnlich empfinden wie du. Tausche dich mit möglichst vielen Menschen aus über deine Gefühle.
  • Ein möglichst realistischer Blick auf die Dinge können der Startpunkt für Veränderung sein. Welchen Beitrag kann ich leisten?
    (z.B. Eintritt in eine Partei, Spende an die Ukraine, Umrüstung der Heizung, fleischärmere Ernährung, eine Petition unterzeichnen usw.)
  • Umgebe dich zudem mit zuversichtlichen Menschen/ Gruppen. Zuversicht springt über.
    Sie braucht Gemeinschaft. Wenn du kannst, gehe auf Demos, tritt einer Organisation bei (z.B. plant-for-the-planet) oder besuche Vorträge zu Resilienz bzw. positiver Psychologie, die auf Handlungsmöglichkeiten eingehen. Warum Gemeinschaften so wichtig sind, fasst Hirschhausen in seinem Vortrag „keiner kann sich selbst kitzeln“ schön zusammen (hier der Link).
 

2. Wenn deine Angst und Hoffnungslosigkeit besonders groß sind, setze auf BEWUSSTE Vermeidung beim Medienkonsum

  • Beschränke ihn zeitlich (z.B. einmal am Tag Zeitung oder einen Artikel lesen).
  • Für viele ist auch die Form der Information entscheidend: Zeitung oder Radio anstatt Fernsehen. Tagesschau anstatt Brennpunkt. Filtriere also die Informationen, die du konsumierst ganz bewusst.
  • Schütze dich möglichst vor reisserischen Überschriften bzw. Artikeln. 
  • Schalte Push-Nachrichten von Nachrichten Apps am Handy aus.
  • Nutze auch Plattformen, die gezielt positive Nachrichten teilen, wie z. B. „Good News Movement“ oder die App „Good News- die tägliche Dosis Optimismus“.

3. Fördere positive Gefühle

  • Finde Trost in der Schönheit der Natur

    Gehe spazieren, beobachte das Leben um dich herum und frage dich: Was ist in der Natur gesund, intakt oder unbeschwert? Mache Nahaufnahmen von den kleinen Wundern, die uns täglich draußen begegnen und erlaube dir, diese zu genießen!

  • Lass dich von inspirierenden Menschen motivieren.

    Lies oder höre Geschichten von Menschen, die in Krisen stark geblieben sind, aktiv Lösungen vorantreiben oder auf eine mutige Weise Menschlichkeit zeigen. Beispiele gefällig?
    💛 Boyan Slat 
    (The Ocean Cleanup – er kämpft gegen Plastik in den Meeren)
    💛 Jacinda Ardern 
    (ehemalige Premierministerin Neuseelands mit einer Führungsphilosophie voll von Mitgefühl)
    💛 Mariann Edgar Budde 
    (die Bischöfin, die direkt vor Trump ein klares Zeichen für eine Politik der Liebe, Gerechtigkeit und Inklusion setzte)
    💛 und viele viele andere, die beweisen: anders ist möglich und nicht jeder Mensch (mit Macht) ist schlecht! 

  • Führe ein Dankbarkeitstagebuch.
    Klingt ausgelutscht, funktioniert aber! Indem du deinen Blick bewusst auf die positiven Dinge richtest, wird es leichter, zuversichtlich zu bleiben. Feiere kleine Erfolge und kleine positive Momente! 

-> unerträgliche Schwere muss durch Leichtigkeit und Selbstfürsorge ausgeglichen sein, damit es uns langfristig gut geht.

4. Lass auch positive bzw. zuversichtliche Gedanken zu

  • Es gibt nicht die eine „sichere“ Wahrheit über unsere Zukunft. Auch optimistischere Szenarien sind möglich. Keiner kann es mit absoluter Sicherheit sagen wie sich die Welt entwickeln wird.
  • es besteht auch die Möglichkeit von positiven Aufwärtsspiralen, positiven Dominoeffekten. Auch positive Veränderungen können manchmal schneller gehen, als man es sich ausgemalt hat.

Dabei geht es nicht um Schönfärberei oder Naivität, sondern das Zulassen von Zuversicht, das uns hilft, aktiv zu bleiben ohne zu resignieren.

5. Achte auf deine Werte und Bedürfnisse

  • Versuche FÜR anstatt GEGEN etwas zu kämpfen. Also „ich mache das für die Umwelt“ anstatt „ich mache das, um den Klimawandel aufzuhalten“. Nicht bekämpfen was wir hassen und fürchten, sondern sich für das einsetzen, was uns wichtig ist. Ein feiner, aber wichtiger Unterschied in der Haltung.
  • Was ist dir am wichtigsten und welche Werte sind am meisten durch ein bestimmtes Ereignis in der Welt berührt? Beispiele für Bedürfnisse wären z.B. Selbstbestimmung, Lebensfreude, Verstehen/Kontrolle oder Sicherheit.
    Werte sind Umweltschutz, Solidarität, Fairness, Demokratie, Ehrlichkeit usw. Typischerweise gibt es priorisierte Werte und Bedürfnisse je nach Situation. Mir kann meine Selbstbestimmung zwar sehr wichtig sein, aber Umweltschutz steht für mich weiter vorne, so dass ich auch ein Tempolimit auf der Autobahn akzeptieren würde.
  • Wenn du die für dich wichtigsten Werte und Bedürfnisse identifiziert hast, überlege welche Schritte du konkret gehen kannst, um diese zu erfüllen. Es gibt dabei keine zu kleine Handlungen. Wenn dir beispielsweise deine Sicherheit gerade besonders bedroht vorkommt, dann mache dir klar, was gerade im Moment in deinem Leben und deiner Familie sicher ist. Teile deine Gefühle, stoppe Katastrophisierungen, gestalte Medienkonsum bewusst und tue etwas, was Sicherheit unterstützt (z.B. um Altersvorsorge kümmern). 

Abschluss

Warum Genuss, Lebensfreude und Selbstfürsorge trotz des vielen Leids auf der Welt so wichtig ist, beschreibt dieses Zitat sehr schön:

„Mehr denn je brauchen wir die Obhut der Schönheit, um unsere angegriffene, eingerissene Schutzschicht zu stärken. Deshalb werde ich meine Schönheitslust leben. Es jedenfalls versuchen. Eine kleine Normalität für mich bewahren. Das Gift von Krieg und Tod nicht in jede Freude träufeln… Um im großen energetischen Feld die Balance zwischen zerstörerischer und heilender Kraft zu halten.“ 
Auszug aus „Der Trost der Schönheit“ von Gabriele von Arnim.

Es gilt für uns ALLE die Balance zu finden zwischen Trauer und Zuversicht, zwischen Selbstfürsorge und Engagement sowie Fokus auf den Mikro- und Makrokosmos (uns und die Welt). Vielleicht müssen wir uns damit abfinden, dass Krisen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sind und sie immer wieder als zu meisternde Herausforderungen begreifen, in der wirklich jede und jeder einen individuellen Beitrag leisten kann. Auf diese Weise können wir auch zuversichtlich in die Zukunft blicken. Vor allem im Sinne von: ich kann damit umgehen!

Dieser Artikel ist im Nachgang an eine Ausgabe meines Newsletter entstanden, auf den ich viel positives Feedback erhalten habe. Wenn du auch auf dem Laufenden bleiben möchtest, was ich zum Thema Umgang mit Gefühlen aufgrund meines psychologischen Wissens zu sagen habe, melde dich gerne an.

Hi, ich bin Sabine Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und Gefühlsexpertin. Wenn du Unterstützung brauchst, um deine individuellen Bedürfnisse, Werte und passenden Strategien im Umgang mit Gefühlen heraus zu finden, dann melde dich. Ein prall gefüllter Methodenkoffer wartet auf dich!

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