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Was tun bei Erschöpfung nach Corona? Wie man mit Yoga gegen Post Covid angehen kann. Eine Mutmach Geschichte!

Ich mache gerade immer wieder „Bekanntschaft“ mit dem Post Covid Syndrom und der dazugehörigen Erschöpfung, die so wahnsinnig belastend ist. Den Betroffenen, die ich psychologisch begleite, fehlt es häufig an Selbstwirksamkeit: was kann ich konkret tun, damit ich Besserung erreiche? Was tun bei Erschöpfung nach Corona?

Ich habe deshalb mit Lisa gesprochen- Psychologin, Yoga Lehrerin und Gründerin von „Your Moment – Yoga & Psychology“. Lisa war selbst Betroffene von Post Covid und Fatigue. Sie ist jetzt Yoga Lehrerin und ihre Geschichte und ihr Angebot machen wirklich Hoffnung. Falls du selbst betroffen bist, kannst du hoffentlich aus ihrer Erzählung Mut schöpfen und Ansatzpunkte für deine eigene Genesung finden. Denk immer daran: du musst da nicht alleine durch!

Liebe Lisa, vielen Dank, dass du dich bereit erklärt hast, mir ein paar Fragen zu beantworten hier auf meinem Blog!

Danke, Sabine! Ich freue mich, meine Geschichte hier zu teilen und von meiner Arbeit mit Post Covid Betroffenen erzählen zu dürfen.

Sag mal- wie passt das zusammen: Yoga und Post Covid Fatigue bzw. Erschöpfung? Hat das auch was mit dem Phänomen zu tun, dass sich Patient*innen müde, aber doch unter Strom fühlen?

Genau, beim Post Covid Syndrom haben wir es meistens mit einem überaktivierten Nervensystem zu tun, der Fachbegriff ist autonome Dysregulation. Der Körper bzw. das Nervensystem hängt in einem Dauerstresszustand fest, wodurch Patient*innen ganz verschiedene Symptome haben können.

Sie fühlen sich unter anderem – wie du sagst – innerlich angespannt und unruhig, gleichzeitig sind sie aber nicht nur müde, sondern massiv erschöpft. Und genau bei der Post Covid Erschöpfung setzt Yoga an: Yoga bietet eine ganze Schatztruhe an Techniken, die die Regulierung des Nervensystems unterstützen. Dabei möchte ich betonen, dass sich nicht jeder Yogastil bei Long Covid eignet. Es sind vor allem die Yogastile, die auf die Entspannung des Nervensystems ausgerichtet sind, die meiner Erfahrung nach, die Genesung vom Post Covid Syndrom positiv beeinflussen können. Ich unterrichte deshalb Restorative Yoga mit Elementen aus dem Hatha Yoga und gestalte meine Stunden so sanft, dass sie auch für Betroffene von Fatigue und Erschöpfung gut machbar sind.

Das Ziel der Stunde ist nicht die Aktivierung des Körpers, sondern viel mehr, Körper und Geist nach und nach wieder zur Ruhe zu bringen. Denn in der Entspannung kann dann die notwendige Regeneration stattfinden. Das ist für Außenstehende manchmal schwer nachvollziehbar, dass der erste Schritt in Richtung Genesung von Long-Covid nicht bedeutet, einfach langsam wieder aktiver zu werden.

Magst du was über deine eigene Geschichte erzählen?

Ja, sehr gerne! Ich teile meine Geschichte ganz bewusst mit anderen Betroffenen, um Mut zu machen und zu zeigen, dass eine Genesung von Post Covid und ME/CFS möglich ist!

Ich bin im März 2021 an Covid erkrankt und habe daraufhin das chronische Fatigue Syndrom bzw. Long Covid entwickelt. Auf meinem Weg zurück in die Gesundheit habe ich einiges ausprobiert und schnell gemerkt, dass sanftes Yoga, Meditation, Yoga Nidra und die Arbeit mit der Atmung fast die einzigen Dinge sind, durch die es mir nicht schlechter, sondern besser geht. Natürlich war ich neugierig, woran das liegt und so habe ich, als ich wieder mehr bei Kräften war, eine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht und noch eine zweite drangehängt. Ich wusste, wenn es etwas gibt, dass bei Long Covid helfen kann, dann muss ich das an andere weitergeben.

Mittlerweile bin ich genesen und unterrichte online sanftes Yoga für Betroffene von Long Covid, ME/CFS, anderen chronischen Erkrankungen und stressbedingten Beschwerden. Dabei lasse ich auch meine Erfahrungen als Psychologin und angehende Psychotherapeutin mit einfließen, da Körper, Geist und Seele gleichermaßen in den Genesungsprozess einbezogen werden sollten.

Was kann man deiner Erfahrung nach tun, um sich aus dem Teufelskreis von „Aktivität wäre gut für mich“ und „aber ich kann nicht“ langsam rauszubewegen? Der Fokus liegt ja, soweit ich weiß, auf „langsam“, um nicht über die eigene Belastungsgrenze zu gehen- das kann ja zu Verschlechterung führen, richtig?

Vor allem am Anfang sollte die Entspannung des Nervensystems Priorität haben, damit der Körper, der so in Aufruhr ist, erstmal zur Ruhe kommen kann – das ist für mich die Basis für jegliche Aktivität, die nach und nach wieder aufgenommen werden kann. Natürlich sollte das Aktivitätsniveau trotzdem so weit beibehalten werden, wie es innerhalb der eigenen Belastungsgrenzen (also ohne, dass es einem dadurch schlechter geht) möglich ist. Später, wenn bereits etwas Ruhe eingekehrt ist und man v.a. Techniken zur Regulierung des Nervensystems kennt und anwendet, können dann die Belastungsgrenzen in kleinen Schritten wieder erweitert werden – ganz im Sinne des Pacings (= Energiemanagements).

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, leichte körperliche Aktivität in Verbindung zu bringen mit der Entspannung des Nervensystems. In meinen Yogastunden nutzen wir z.B. die Kombination aus leichter Bewegung und Atmung im Wechsel mit meditativen Momenten der Stille und des Seins. Auch langsames, achtsames Spazierengehen in der Natur kann eine Aktivität sein, die gleichzeitig entspannend wirkt.

Was hilft aus deiner Sicht bei einem guten Energiemanagement für Betroffene?

Ein guter Kontakt mit Körper und Geist.

Aus meiner vorherigen Antwort hörst du vielleicht schon raus, dass es nicht nur wichtig ist, wie viel Aktivität wir uns zumuten, sondern auch, wie wir eine Aktivität gestalten – nämlich so, dass sie möglichst wenig Stress verursacht. Es ist definitiv ein Lernprozess, die leisen Signale des Körpers wieder deuten zu können und zu wissen, welche Aktivität einem gut tut und wie viele Pausen es braucht. Im Yoga ermutige ich meine Teilnehmer*innen deshalb dazu, auf den eigenen Körper zu hören und die Übungen anzupassen, zu verändern oder auszulassen, wenn sich irgendetwas nicht gut anfühlt – ich gebe hierfür immer Optionen. Auch Pausen während der Yogastunde sind jederzeit erlaubt und sogar erwünscht! Der Körper ist hier der wahre Lehrer!

Aber auch der Geist sollte im Blick behalten werden. Manchmal gibt es alte Glaubenssätze, die dem Energiemanagement (oder Pacing) in die Quere kommen. Sätze wie „Du kannst die anderen nicht im Stich lassen, die brauchen dich doch.“ oder „Wie lange soll das noch so gehen? Jetzt bist du doch schon lange genug rumgelegen.“ stammen oft von inneren Antreibern, Kritikern oder auch Helfer-Anteilen und machen es schwer, dem eigenen Körper und seinen Grenzen treu zu bleiben. Beim Aufdecken dieser Glaubenssätze kann einerseits die Meditation helfen, andererseits braucht es für die Bearbeitung manchmal auch zusätzliche Unterstützung im 1:1 Setting wie in deiner Praxis. Die Arbeit mit inneren Glaubenssätzen und alten Gefühlen beschreibst du ja so schön in einem deiner Blog Artikel!

Danke 🙂 Post Covid bedeutet ja ein extremer Verlust von Kontrolle und auch ein Stück weit Verlust von Identität (das was mich als Menschen ausmacht, geht häufig zum Großteil nicht mehr). Was kann da deiner Meinung nach hilfreich sein?

Zuerst einmal finde ich es wichtig, dass alle damit verbundenen Gefühle da sein dürfen, denn du hast Recht: das sind Themen, mit denen man als Betroffene*r konfrontiert wird. Gleichzeitig sehe ich rückblickend auch die Chance, sich bzw. seinen wahren Wesenskern neu kennenzulernen. Das klingt jetzt romantischer als es ist – es ist natürlich ein innerer Wachstumsprozess. Ich sag manchmal, wir werden durch die Erkrankung wieder zu einem „human being“ anstatt einem „human doing“. Wie genau dieses „being“ aussieht, das dürfen wir langsam wieder erkennen, da das „doing“ sozusagen erstmal wegfällt.

Das Post Covid Syndrom war für mich wie ein Reset, ein Punkt, an dem ich mich gefragt habe, ob das Leben, das ich führe, mir so überhaupt entspricht. Und wo ist es vielleicht sogar Zeit für eine Veränderung, die ich mir vorher nicht zugestanden habe? Es ist schwer, aus dem Hamsterrad des Lebens auszusteigen, aber manchmal wird man eben auch herausgeworfen und dann lohnt es sich total, sich diese (o.g.) Fragen zu stellen. Innerlich habe ich mich immer wieder daran erinnert, meinem Weg zu vertrauen und meiner Intuition zu folgen – die Erkrankung bzw. der Körper lehrt einem ganz genau, was gut für einen ist und was nicht. Wenn wir wieder lernen, authentisch zu leben, kann der Weg sogar zu noch mehr Gesundheit und Erfüllung führen als vor der Erkrankung.

Das ist übrigens eine der wichtigsten Bedeutungen von Yoga, dem wahren Wesenskern näherzukommen.

Was mich besonders interessiert, weil es der Schwerpunkt meiner Arbeit ist: Kann Yoga beim Umgang mit schwierigen Gefühlen helfen? Viele Betroffene leiden ja unter Versagensängsten, Selbstzweifeln, Enttäuschung und natürlich Trauer.

Ja! In den Yoga Stunden stelle ich einen sicheren Raum zur Verfügung, in dem Betroffene alles mitbringen dürfen, was sie an dem Tag im Gepäck haben. Ich ermutige Teilnehmer*innen nicht nur, mit Mitgefühl und Wertschätzung in den eigenen Körper hinein zu spüren, sondern genauso auch den Geist zu beobachten. Dabei üben wir, Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen als Teil des gegenwärtigen Moments zu betrachten, ohne diese zu bewerten oder uns von ihnen einnehmen zu lassen. Ich erinnere Teilnehmer*innen auch daran, sich Ankerpunkte im Außen zu suchen, die in einem emotionalen Moment Sicherheit geben (z.B. der Kontakt mit der Erde). Die erdenden, beruhigenden Übungen meiner Yogastunden und die Atemtechniken unterstützen Betroffene ebenfalls dabei, beim Aufkommen von Gefühlen ruhiger und gelassener zu bleiben. Manchmal sind auch unverarbeitete Gefühle im Körper gespeichert, sorgen dort vielleicht sogar für Verspannungen oder Symptome und diese können dann durch sanfte Bewegungen im Yoga gelöst werden.

Gibt es etwas was du im Umgang mit dem Post-Covid Syndrom noch empfehlen würdest?

Das Post Covid Syndrom braucht meiner Meinung nach eine ganzheitliche Herangehensweise: Körper, Geist und Seele wollen untrennbar voneinander betrachtet werden! Neben Yoga und Meditation waren für meine Genesung eine entzündungshemmende, gesunde Ernährungsweise, eine Vitalstofftherapie mit hochwertigen Nahrungsergänzungsmitteln und vor allem das Gupta Programm ausschlaggebend. Im Gupta Programm geht es einerseits auch um die Beruhigung des Nervensystems, andererseits lernt man Techniken zum Brain-Retraining, also zum Umtrainieren von ungünstigen Gedankenmustern (wie ständigen Sorgen), die die Erkrankung aufrechterhalten. Das Mindset hat wirklich einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Genesung! Dennoch ist jeder Genesungsweg sehr individuell – ich gebe hier nur meine Erfahrung weiter.

Als letzten Tipp möchte ich Betroffenen mitgeben: Orientiere dich an denen, die wieder gesund geworden sind und reduziere die Zeit, die du mit negativen Geschichten aus dem Internet verbringst, auf ein Minimum. Letzteres ist für ein aufgebrachtes Nervensystem einfach ungünstig und es gibt so viele positive, ermutigende Geschichten von Menschen wie mir, die wieder ganz gesund geworden sind!

Das finde ich einen ganz wichtigen Tipp! Abschließend würde mich total interessieren, was du dir als selbst betroffene Psychologin von Psycholog*innen in der Begleitung von Betroffenen wünschen würdest. Was sollte man von behandelnden Psycholog*innen erwarten dürfen?

Eine schöne Frage! Es freut mich wirklich jedes Mal, wenn Behandler*innen offen dafür sind, bei diesem Beschwerdebild dazuzulernen! Leider erlebt man zu oft auch das Gegenteil, deshalb DANKE dafür!

Also, meine Antwort: Pacing auch in der Therapie und Beratung! Das kann so aussehen, dass das Setting flexibel gestaltet wird, z.B. indem Therapiestunden online anstatt in Präsenz durchgeführt werden (die Anreise zur Therapie ist meist schon zu viel für Patient*innen), eventuell sogar ohne Bild. Sitzungen können ggf. auf die Hälfte der Zeit gekürzt werden, um eine Überanstrengung zu vermeiden. Patient*innen sollten ermutigt werden, regelmäßig kurze Pausen einzulegen (z.B. tief durchatmen, Augen schließen, einmal aufstehen oder strecken, den Blick vom Bildschirm wenden).

Ich hätte mir damals in meiner Therapie gewünscht, dass Techniken zur Beruhigung des Nervensystems Teil der Therapiestunde gewesen wären, um zwischen der Bearbeitung von Themen wieder Ruhe und Sicherheit im Nervensystem herzustellen. Das könnten z.B. Atemübungen, Imaginationen oder andere Übungen sein, die Patient*innen zurück in den Körper bringen.

Und zuletzt empfehle ich, die Therapie mehr als unterstützende Maßnahme für den Umgang mit der Erkrankung und den damit verbundenen Gefühlen zu sehen und zusätzliche belastende Themen nur dann anzugehen, wenn Patient*innen dafür genug Kraft haben. Das ist natürlich sehr individuell von Fall zu Fall.

1000 Dank!!! Ich wünsche dir für dein tolles Angebot nur das Allerbeste und dass du damit möglichst viele Betroffene erreichen und damit unterstützen kannst!

Ich sag DANKE, Sabine! Danke, dass du dich für Betroffene informierst und diesem wichtigen Thema Raum auf deinem Blog gibst! Es hat mir Spaß gemacht, mit dir zu quatschen!

Hier findest du Lisa, wenn dich ihr online Yoga Angebot interessiert!

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Sandra Jansen

    Hallo,
    ich kenne Lisas Yoga-Angebot und habe das wirklich an mir gemerkt, was hier erklärt wird. Es ist wirklich sehr hilfreich, um besser spüren zu lernen, wie es einem eigentlich körperlich geht und um diese innere Anspannung herunterzufahren. Ich hatte Lisa über das Gupta-Programm kennengelernt. Bei mir war es zwar nicht Long-Covid, sondern eine andere postvirale Fatigue, aber ich denke das ist sehr ähnlich gelagert, was diese zu Grunde liegende Überlastung angeht. Da herauszufinden war erstmal nicht so leicht und diese Kombination aus körperlichen und psychischen Aspekten ist auch für mich superwichtig gewesen.
    Danke für diesen Blog-Beitrag und dass ihr anderen damit ein Stück weiter helft!
    Liebe Grüße,
    Sandra

    1. S. Graml

      Liebe Sandra, vielen Dank fürs Lesen und deinen Kommentar! Wie schön, dass auch dir die Kombi aus psychischer und körperlicher Herangehensweise geholfen hat und bestimmt auch weiterhin hilft! Alles Gute dir weiterhin!

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