Die „Warum“ Frage in der Trauer ist mit Sicherheit eine der am quälensten Fragen nach dem Tod eines Menschen. Je jünger ein Mensch ist, der verstirbt, umso intensiver wirkt diese Frage in der Trauer. Auch und gerade nach Suizid stellen sich die Zugehörigen in der Regel diese Frage sehr verstärkt.
- „Warum hat er/sie das getan?“, „Warum genau jetzt? Es ging ihm/ihr doch gerade besser.“, „Warum hat er/sie nicht erzählt wie schlecht es ihm/ihr wirklich ging?“, „Warum ließ er/sie sich nicht helfen?“
- „Warum musste mein Kind vor mir sterben?“, „Warum darf ich weiter leben?“, „Warum musste mir das passieren?“
- „Warum musste gerade er/sie so lange leiden?“
Warum? Warum? Warum? Die Fragen rauben den Schlaf, weil es doch keine Antworten darauf gibt.
Ich möchte dir in diesem Blogartikel ein paar Gründe für dieses „Warum“ nennen. Außerdem gebe ich dir einige Strategien an die Hand wie du mit den quälenden Fragen umgehen kannst.
Warum dieses ewige „Warum“?
Diese Art von Warum Fragen sind Grübelfragen. Auch nach banalen Alltagssituationen beschäftigen wir uns häufig mit der Frage: „Warum hat mich mein Nachbar heute so grimmig angeschaut?“, „Warum hat mir mein Chef einen Termin eingestellt?“, „Warum musste mir die Autopanne gerade heute passieren?“. Auf einige Fragen können wir Antworten finden, auf viele nicht.
Was die Fragen vereint:
- der Wunsch nach Erklärung
- das Bedürfnis nach Sicherheit
- die Suche nach eigenen Fehlern, so dass wir es besser machen/ausbügeln können
- der Versuch, Kontrolle zu gewinnen
Die „warum“ Frage macht sich häufig auf die Suche nach Verantwortung. Sie ist also auch nahe dran am Thema Schuldgefühlen, die auch weit verbreitet in der Trauer sind. Solltest du du dich stark mit den „Warum“ Fragen beschäftigten, könnte deshalb auch mein Artikel zum Thema Schuldgefühle in der Trauer hilfreich sein (hier gehts zum Artikel).
Bei Trauer versuchen wir Antworten auf „warum“ Fragen zu finden, die den Schmerz etwas leichter machen könnten. Es ist das verzweifelte Bemühen das Unbegreifbare erklärbar zu machen. Die Fragen beziehen sich auf die Vergangenheit und damit halten sie uns da auch. In der Nähe von demjenigen, der gestorben ist. Es ist deshalb auch die Verbindung und ein nicht Akzeptieren können, die uns in den Fragen gefangen hält. Sie können Trauer blockieren und helfen uns paradoxerweise Trauer zu vermeiden. Gleichzeitig fühlen sich die „Warum“ Fragen ja ganz schrecklich an und lösen Verzweiflung, oft auch Wut aus. Hier kannst du dich auch zu blockierter Trauer weiter informieren.
Letztlich finden die allermeisten keine Antwort, denn es gibt nicht auf alle Fragen in der Welt eine Antwort. Das ist super hart!
Was kann also helfen, die „Warum“ Fragen und damit das Kreisen um die ewig gleichen Frage zu beenden?
Hilfreiches im Umgang mit der „Warum“ Frage in der Trauer
Erst will ich dir den zugegebenermaßen sperrigen Begriff „Ambiguitätstoleranz“ zumuten. Das ist die Fähigkeit, Widersprüche in einer Situation auszuhalten (z.B. „er/sie war doch so ein guter Mensch- warum musste er/sie so leiden?“). Es ist die Akzeptanz, dass es auf komplexe Fragen keine einfache Antwort gibt. Das Aushalten von Unklarheit und von lebenslang unbeantwortbaren Fragen.
Wir alle kommen mit einem gewissen Maß von dieser Unsicherheits-/ Widerspruchstoleranz auf die Welt, wichtige Bezugspersonen fördern oder minimieren die Fähigkeit und nicht jeder Verlust fordert gleich viel dieser Toleranz.
Es gibt aber auch im Hier und Jetzt die Möglichkeit, diese Toleranz zu vergrößern:
- Mache dir bewusst, dass du mit deinen „Warum“ Fragen ein bestimmtes Ziel (unbewusst) verfolgst. Worum geht es dir dabei eigentlich? Stelle dir also beantwortbare Fragen.
- Würde dir eine Antwort auf deine Fragen wirklich helfen? Nehmen wir mal an, du könntest eine Antwort finden, wäre der Schmerz dann wirklich kleiner? Meist nicht, denn die Antwort würde ja nichts an den schmerzlichen Tatsachen ändern.
- Versuche mehr in die Beobachterrolle deiner Gedanken zu gehen und dich bei den „warum“ Fragen zu ertappen. Frage dich dann: sind diese Fragen gerade für mich und meine Trauer hilfreich? Tun sie mir gut? Wenn die Antwort „nein“ ist, dann versuche deine Aufmerksamkeit gezielt auf anderes zu richten.
- Deine Gedanken und damit auch deine „warum“ Fragen sind kurzfristige „mentale Ereignisse“. Das heißt sie spiegeln weder die Realität, noch irgendwelche Tatsachen wieder. Deshalb werden sich die „Warum“ Fragen auch nicht „in dir“ beantworten. Mache dir das klar und lasse die Fragen deshalb auch immer wieder bewusst vorbei ziehen.
- Spüre das Gefühl, das sich hinter dem „warum“ verbirgt und spreche es aus oder schreibe es auf. Ein Beispiel: „Warum musste meine Mutter schon so früh sterben und die kettenrauchende Frau Müller ist 90 Jahre alt?“ wird zu: „Es macht mich unglaublich traurig und finde es eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, dass meine Mutter nicht 90 Jahre alt werden kann.“ Gib dir Zeit, diese Gefühle auch wirklich zu spüren. Sie werden im Anschluss wieder leichter werden.
- Besonders dann, wenn der Tod schon länger zurück liegt, lohnt es sich zu schauen, ob das „warum“ durch ein „wofür“ ersetzt werden kann. Das heißt nicht, den Tod gut zu heißen. Es bedeutet etwas zu finden, das dich die Konfrontation mit dem Tod gelehrt hat. Für manche ist es die Erkenntnis, mehr Schmerz zu ertragen und stärker zu sein als sie sich jemals hätten vorstellen können. Für andere ist es eine Verschiebung von Prioritäten. Wieder andere leben nun etwas, was ihnen der Verstorbene direkt oder indirekt als positiven Wunsch hinterlassen hat. Mir ist bewusst, dass diese Frage sehr sensibel ist und häufig auch Widerstand auslöst. Meine Erfahrung zeigt jedoch, dass jeder noch so sinnlose Tod irgendwann eine Bedeutung bekommen kann.
- Spezialfall Überlebensschuld: ähnlich ist der Umgang mit der Frage „Warum darf ich weiter leben und xy nicht“. Vielleicht magst du dir die Frage stellen: „Wofür lebe ich weiter?“.
Solltest du dich insbesondere vor dem Einschlafen und in der Nacht mit diesen Gedanken befassen, kannst du dir hier auch meinen Anti-Grübel Schlafguide mit hilfreichen Tipps zum Thema Einschlafen holen:
Wenn du dir Unterstützung mit Herz und Verstand im Umgang mit der Warum Frage in der Trauer wünschst, dann freue ich mich über eine Mail oder einen Anruf von dir!
Ich bin Sabine, Psychologin und Psychotherapeutin und biete dir in meiner psychologischen Beratung Unterstützung bei Trauer und Herausforderungen im Leben an! Du musst das nicht alleine schaffen! Hier findest du zu mir: Kontakt zu Sabine Graml.